
Sag es ruhig weiter...
Ich liebe Videospiele. Sind sind eine Kunstform, die mich schon als kleiner Stöpsel begeistert hat. Seitdem ich denken kann, habe ich mich zu merkwürdigen Dingen hingezogen gefühlt. Sei es ein komischer Zeichenstil, ein Buch mit einem nicht ganz greifbaren Plot oder skurrile Indie-Spiele. Menschen, die ihre Kreativität nutzen und auch unkonventionelle Werke schaffen sind für mich einfach unglaublich wichtig. Um diesen etwas hochgestochenen Einstieg aber mal zu beenden, möchte ich heute über das gar nicht so kleine Spiel namens „Date Everything“ schreiben, welches im Juni erschienen ist und mich für viele Stunden herzlich unterhalten hat. Man kann Date Everything als ziemlich viel beschreiben, aber mein größter Fokus soll heute bei den Menschen dahinter liegen. Um mich aber nicht zu überschlagen, fangen wir doch einfach mal von vorne an.
In diesem Beitrag befindet sich ein minimaler Spoiler bezüglich einem Design von einem Charakter, welches man erst gegen Ende des Spiels freischaltet.
Wenn es bei Menschen schon nicht klappt, flirtet man halt mit seinen Haushaltsgegenständen
Eigentlich sagt der Titel von „Date Everything“ vom Entwickler Sassy Chap Games und Publisher Team17 schon so ziemlich alles aus. Aber fangen wir trotzdem mal ganz vorne an. Nachdem ihr innerhalb von 5 Minuten euren neuen Job angefangen und prompt von einer KI ersetzt werdet, findet sich der Spieler in einer unfreiwilligen Auszeit wieder. Gekündigt ist man noch nicht, aber es ist auch alles weitere erstmal auf Eis gelegt. Nachdem euch dann noch eine Drone durch die Haustür kracht und euch eine rosarote Sonnenbrille liefert die ihr nicht bestellt habt, geht das Chaos so richtig los. Durch das Aufsetzen der Brille seit ihr in der Lage, eure Haushaltsgegenstände zu attraktiven Menschen werden zu lassen. Damit startet das Spiel dann auch so richtig. Ihr habt euer komplettes Haus voller potentieller Liebhaber. Da der Name auch Programm ist, kann diese Flut an Charakteren erstmal richtig überwältigend sein. Zum Glück hat das Spiel keinen Zeitdruck und ihr könnt euch beim Erkunden der insgesamt ca. 100 „Dateables“ auf euer eigenes Tempo einlassen. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass die Gegenstände nicht wirklich zu Menschen werden, sobald ihr die Brille aufsetzt. Im Spiel wird es eher als eine „Bewusstseins-Verschmelzung“ betitelt. Malt euch das aus, wie ihr wollt.

Bei 100 Charakteren ist wirklich für jeden etwas dabei und eine ganz besondere Kleinigkeit habe ich noch nicht erwähnt. Dieses Spiel hat komplettes Voice Acting. Der Cast für dieses Spiel ist der Wahnsinn. Es fühlt sich an, als wäre die halbe Critical Role Truppe dabei, aktuell sehr beliebte Voice Actor wie Ben Starr haben ebenso Auftritte und sie sind alle auch noch wundervoll illustriert. Es gibt in diesem Spiel keinen Charakter, den ich langweilig oder lieblos gestaltet finde und bei 100 Charakteren ist das eine riesige Errungenschaft. Es sind aber nicht nur die Stimmen und die hübschen Designs. Diese tollen Gegenstände haben auch noch alle großartige Charaktere, die mich immer wieder laut auflachen ließen. Man hilft ihnen, hört sich ihre Geschichten an und manchmal vergisst man, dass diese Charaktere eigentlich nur typische Haushaltsgegenstände sind. Eine ganz besondere Person hat mir sogar 1,2 Tränen abverlangt.
Dem Wasser durch die Identitätskrise helfen
Am Anfang habe ich gar nicht so viel erwartet, als ich mit den einzelnen Charakteren geredet habe. Manche dieser tollen Gegenstände oder allgemeinen Dinge im Haus haben aber wirklich längere Geschichten, durch die man sie begleiten kann. Auch untereinander haben sie ihre Beziehungen und Freund- sowie Feindschaften werden immer wieder thematisiert. In einem großen Date-A-Dex kann man zu jedem Dateable ein paar Infos und Zusammenfassungen nachlesen und wenn man mit einem Charakter lange genug geredet hat, erhält man 1 von 3 Enden für den jeweiligen Gegenstand. Entweder hassen sie dich, lieben dich oder ihr werdet Freunde. Durch großartige Gestaltung der verschiedenen Stories kann man auch noch einige Dateables freischalten, indem man beispielweise den Schlüssel zum Dachboden findet und sich darin auch nochmal umschauen kann. Einige Interaktionen sind auch an die Tageszeit gebunden, die immer voran schreitet, sobald man mit einem Dateable Zeit verbacht hat. Ich mag Visual Novels an sich schon sehr, aber ich hätte nicht erwartet, dass mich so ein Sandbox-Konzept als Dating-Spiel so fesseln könnte. Viele Dateables fühlen sich wie Puzzle an, um voran zu kommen und es entsteht nach den ersten Interaktionen so eine kleine Sammel-Sucht, in welcher ich immer mehr toll vertonte, lustige und teilweise komplexe Charaktere kennenlernen durfte.

Dating-Endgame
Nachdem man dann seine ersten Liebschaften oder auch Feindschaften gefunden hat, bekommt man von der Sonnenbrille selbst (sie ist natürlich auch ein Dateable) die Nachricht, dass man diese wundervollen Alltagsdinge zu tatsächlichen Menschen machen kann, wenn man nur genug Punkte vom Daten sammelt. Das ganze ist etwas komplex mit verschiedenen Attributen, aber im Grunde wird man motiviert, so viele Charakter-Stories durchzuspielen wie man möchte um dann seine liebsten zu realen Lovern und Freunden werden zu lassen. Über moralische, philosophische oder rechtliche Konsequenzen, die so eine Transformation von Gegenständen zu Menschen mit sich bringen würde, wird dem Spielspaß halber hinweg gesehen. Ich bin ganz ehrlich, so ist es mir auch viel lieber. Sollte man übrigens von einem Dateable gehasst werden, kann man sie auch nicht zu Menschen werden lassen. Insbesondere für Gegenstände, die man absolut nicht leiden kann (Stellt euch bitte an dieser Stelle einen abschätzenden Seitenblick auf eine Katzenförmige Uhr vor) ist sowas nochmal ein netter Twist, der diese Feindschaften für mich noch besser macht. Manchmal ist es eben gut, wenn man auch nicht allen Content beim ersten Anlauf sehen kann. Es kann im Übrigen ziemlich fix passieren, dass ein Gegenstand euch hasst. Zum Glück kann man jederzeit speichern, um sich z.B. durch das emotionale Minenfeld vom Stromkasten zu navigieren. Das Verwandeln der Charaktere bedeutet aber auch, dass ALLE Charaktere noch ein weiteres, richtiges Menschen-Outfit erhalten haben. Dieses Spiel hat eine irrsinnige Menge an Inhalt.

Eine große Feier der menschlichen Kunst
Am Ende war „Date Everything“ für mich nicht nur ein riesiger Spaß, sondern auch eine tolle Verbeugung vor allen talentierten Stimmen da draußen, die unsere liebsten Charaktere vertonen und ihnen Leben einhauchen. In einer Zeit, wo jeder seelenlose KI-Bilder generieren lassen kann und Deep Fakes von alltäglichen Menschen keinerlei Aufwand mehr fordern, bin ich so glücklich darüber, wenn es tolle Kunst von Menschen gibt. Was aktuell in unserer Welt mit einer immer zugänglicheren KI passiert ist schrecklich und dieses Spiel ist ein wundervoller Hieb dagegen. Wir können den ganzen Tag damit verbringen, diese Entwicklung zu hassen. Ich für meinen Teil möchte aber mehr Energie in die Zelebrierung von menschlichen Talenten und Künsten stecken, da wir in diesen dunklen Zeiten doch alle etwas mehr Positivität gebrauchen können. Wenn ihr also auch mal mehr Liebe erfahren wollt, probiert es doch einfach mal mit eurer Dusche statt Tinder. Vielleicht antwortet sie ja. Oder wir drehen alle durch.
Quellenangaben:
- Alle Bilder aus dem Beitrag stammen aus meinen persönlich aufgenommenen Screenshots via Steam