
Share it
Manchmal ist das Internet nicht nett zu Medien. Das ist auch vollkommen okay, denn man sollte immer auch ein kritisches Auge auf die Dinge haben, die man konsumiert. Ein großes Problem entwickelt sich aber, wenn Leute sich kleine Clips ohne Zusammenhang anschauen und dann ihre 30 Tweet lange Meinung ins Internet dazu pöbeln. Der Release von Stellar Blade vom koreanischen Studio „Shift Up“ ist jetzt schon etwas her. Vor ein paar Monaten kam die PC Version des Action-Spiels raus und jetzt in meinem Urlaub bin ich auch endlich mal dazu gekommen, dass Spiel komplett durch zu spielen. Heute wollte ich einfach mal meine Eindrücke teilen und die Kritik vor dem Launch behandeln, die das Spiel direkt als „Gooner-Game“ und Nier-Automata Klon abgestempelt haben. Nachdem über meinen Bildschirm gestern die Credits gelaufen sind, habe ich zu diesen Vorwürfen ein paar kleine, wütende Gedanken gesammelt.
Ein richtig gutes Action-Spektakel
In Stellar Blade übernehmt ihr die Rolle von Eve, einem Androiden, welche aus dem All auf die postapokalyptische Erde geschossen wird, um bösartige Aliens, sogenannte Naytibas, zu zerstückeln. Direkt zum Start werden alle ihre Squad-Mitglieder sanft in den Boden einmassiert und selbst ihre Anführerin „Tachy“ kriegt ein unfreiwilliges Magen-Piercing bei dem Versuch, Eve zu retten. Es ist allgemein kein unbekannter Start, aber direkt zum Start ist mir der stimmige Soundtrack und die ziemlich präzise Steuerung im Kampf aufgefallen. Es hat Souls-Like DNA, fühlt sich aber ohne Stamina-Leiste und mit spaßigen Special-Moves deutlich aggressiver und freier an. Der Combat an sich hat mich sehr an Sekiro und Black-Myth Wukong erinnert, mit einem großen Fokus auf Parries und Perfect Dodges. So ein aggressives Combat-Gefühl ist meine Leibspeise, davon kann ich einfach nicht genug bekommen.
Im weiteren Verlauf des Spiels erkunden wir wunderschöne, lineare Level und 2 ziemlich öde offene Karten, die beide in der Wüste spielen und dadurch eher langweilig sind. Auch wenn ich viel Zeit in diesen offenen Wüsten verbracht habe, konnten die linearen Level mit ihren vielen versteckten Secrets das ganze ziemlich gut ausbalancieren. Das Spiel bietet ein paar kleine Abwechslungen in Form von Rätseln, reinen Shooter Passagen und ein bisschen Platforming. Auch wenn mich manche Platforming-Passagen genervt haben, war alles drum herum wirklich großartig. Später gibt es sogar ein knackiges Fishing-Minispiel. Während dem Erkunden bietet das Spiel super viel Zeug zum Looten. Das meiste davon sind Materialien, aber an besonders gut versteckten Orten steckt eine Quelle für wütendes Aufschreien von manchen Gamern: Outfits für Eve.

Mehr als nur sexy
Ich möchte es ganz direkt sagen: Eve ist ziemlich attraktiv und hat einen sehr detaillierten, wohl geformten Körper. Die Entwickler haben Eves Körper auf einem realen Model basiert und haben besonders viel Arbeit in die Hinterseite des Körpers gesteckt, da „man den Rücken die meiste Zeit des Spiels vor den Augen hat.“ und im Spiel hat man generell viele konventionell attraktive Charaktere vor sich. Als erstes Gameplay gezeigt wurde, kamen sehr schnell wütende, laute Rufe von einer kleinen Gruppe an Menschen auf sozialen Medien, dass dieses Spiel ein reines „Gooner-Game“ wäre und alles zu sexualisiert wäre und man das Spiel doch bitte boykottieren sollte. Sexismus-Vorwürfe kamen natürlich auch schnell auf. Diese ganzen Vorwürfe kamen bereits vor dem Release, auch vor dem Release der Demo. Heißt also, die allermeisten Leute, die sich beschwerten, konnten das Spiel noch nicht einmal selbst ausprobieren.
Hier möchte ich mal direkt einen Cut machen und von meiner Erfahrung mit Eve’s Sexappeal schreiben, den ich im Spiel wahrgenommen habe. Man kann absolut nicht leugnen, dass die Entwickler einige ziemlich sexy Outfits eingebaut haben und die Physik in Eves Körper lässt bei den verschiedenen Animationen innerhalb und außerhalb der Kämpfe auch gewisse Körperstellen mal wackeln. Aber wisst ihr, wann der Sexappeal nie zur Sprache kommt? In der Story, in den Dialogen und zwischen den Charakteren. Es gibt eine kurze Side-Quest, wo Eve bewusstlos ist und die Menschen wollen sie nur ausbeuten, weil ihr Androiden-Körper super wertvolle Materialien beinhaltet und man damit ordentlich Profit machen könnte. Natürlich wird der Anblick von Eves Körper als unterschwelliger Werbe-Trick benutzt, aber beim Spielen direkt legen die Entwickler keinen Fokus darauf. Die Outfits, sexy oder nicht, sind allesamt wirklich hübsch und man merkt, dass viel Liebe zum Detail eingebaut worden ist. Es sind auch nicht alle Outfits so sexy. Für einige Stunden des Spiels ist Eve in meinem Playthrough mit einem gelben Jumpsuit durch die Welt gehüpft, wo kaum Kurven genau erkennbar waren.

Unter der hübschen Oberfläche steckt ordentlich Substanz
Ich finde es super schade, dass sich Menschen direkt auf die sexy Outfits geworfen haben und alles andere drum herum auch verteufelt haben. Das Gameplay an sich ist so dermaßen solide, dass es meinen wirklich schwer zu bändigenden Hunger nach Combat mit einem Parier-Fokus befriedigt hat. Stellar Blade ist mehr als nur ein hübsches Gesicht. Es hat Fleisch auf den sexy Knochen, die es komplett von einem „Gooner-Game“ abheben. Ich hab noch nicht mal über den Soundtrack geschrieben, denn der ist so unglaublich gut gemacht, schafft eine ganz eigene Atmosphäre und pumpt den Spieler bei den zahlreichen Bossen mit Motivation voll. Tracks wie „Hypertube“ und „Belial“ haben es sofort in meine Playlists geschafft, bei einem speziellen Boss kurz vorm Ende bin ich mindestens 2x gestorben, weil mich die Musik etwas zu sehr abgelenkt hat. Es sind einfach viel zu viele Banger dabei, die dem Spiel eine ganz eigene Identität geben. Dazu kommen noch eine ganze Stange von Bossen, von denen ich wirklich jeden einzelnen richtig gut fand. Durch die vielen Möglichkeiten zum Angreifen und dem schnellen Gameplay waren einige Bosse für mich auf dem normalen Schwierigkeitsgrad eher einfach, aber insbesondere gegen Ende zieht die Schwierigkeit nochmal richtig an. Die Bosse waren insgesamt nie komplette Wände, die mich komplett gestoppt haben, aber bei jedem Kampf wurde ich gut gefordert und nach einigen Encountern hat mein Herz ordentlich gepumpt. Ich bin den Entwicklern sehr dankbar, dass man jeden Bosskampf nochmal in einem Challenge-Modus wiederholen kann und dadurch auch noch weitere Outfits als Belohnung freischalten kann.

Identität ist auch der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte. Direkt zum Anfang wurde das Spiel aufgrund der Prämisse „Androiden-Frau kommt auf zerstörte Erde“ direkt mit Nier Automata verglichen. Die hübsche Protagonistin hat dabei nicht groß geholfen. Ich muss zugeben, am Anfang hab ich es auch im Hinterkopf etwas als „B-Movie Nier“ abgestempelt, aber das galt nur für die ersten 2 Stunden vielleicht. Sobald die Geschichte richtig in Fahrt kommt und die ersten Plot-Twists passieren, war ich richtig investiert. Am Ende habe ich mit meiner Frau noch diskutiert, welche Entscheidungen an einem speziellen Punkt in der Geschichte besser gewesen wäre. Die Geschichte kam für mich nicht an die emotionalen Hochs von Nier Automata dran, aber das musste es auch nicht. Das super präzise Kampfgefühl hat diese Schwäche für mich komplett geglättet. Ein weiteres Highlight ist das Art-Design der Welt und besonders der Naytiba. Diese Monster sind absolut grotesk und perfekt stimmig designed. Während man am Anfang noch relativ simple Monster hat, die Tieren ähneln, kommen gegen Ende immer spektakuläre und interessantere Designs zum Vorschein. Diese „Entwicklung“ im Design nimmt auch einen großen Plot-Punkt in der Geschichte des Spiels ideal auf.
Fazit: Man sollte nicht jeder Kritik blind glauben und Kunstwerke auch mal selbst auf sich wirken lassen
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sehr viele Spieler, die Stellar Blade zum Launch kritisiert haben, dem Spiel selbst kaum eine Chance gegeben haben. Es gab kurz vorm Launch eine Demo, die mich damals trotz Gaming-Flaute echt überzeugt hat und wenn man sich die letzten Sales-Meilensteine anschaut, war ich vermutlich nicht der einzige. Insgesamt ist es ein wundervolles Spiel mit toller Customization und einem richtig geilen Combat. Eves Po ist auch nicht schlecht zum Beobachten, während man durch die Wüste rennt. Da hat sich die Mühe gelohnt. Man merkt beim eigenen Spielen, wie viel Liebe in diese Welt geflossen ist. Während sich zu viele nur auf das Drama konzentriert haben, kann man hier schnell eine Action-Perle verpassen, die enorm viel Spielspaß bietet. Da das Spiel nun für PC und PS5 erhältlich ist und die Demo noch online ist, probiert es doch einfach mal aus! Ich bin mir sicher, dass ihr zumindest mit einem Aspekt vom Spiel sehr viel Spaß haben werdet.
Quellenangaben
- Kommentar bezüglich Eves Rücken von Hyung-Tae Kim in einem Gamesradar-Interview
- Screenshots sind aus meinem privaten Playthrough auf der Playstation 5
- Das zweite Bild von Eve gegen den Boss „Democrawler“ ist aus den Shop-Bildern via Steam



