Diesen Beitrag haben wir von Norrsken erhalten.
Immer müde und hungrig beschreiben mich am besten. Ich liebe Geschichten, dabei ist das Medium – Roman, Manga, Anime, Serie, Videospiel – erst mal egal. Einen besonderen Softspot habe ich für Erzählungen mit einem Touch, Hopepunk oder Solarpunk. Ansonsten geht nichts über ein bisschen sozialistische Revolution.
Erreichen könnt ihr sie bei Fragen auch über ihre Social Media Profile:
Mastodon: Norrsken@mstdn.animexx.de
BookWyrm: Norrsken@bookwyrm.social
Kazuma Iwagami ist frisch gebackener Student und will seine Zeit an der Uni vor allem für eine Sache nutzen: Sich Hals über Kopf verlieben und eine feste Freundin finden! Tatsächlich begegnet er einer engelsgleichen Person, die sich um ihn kümmert, als er von ein paar Rowdys bewusstlos geschlagen wird. Die Suche nach seinem Schutzengel führt ihn über den gesamten Campus, bis er schließlich vor seiner Retterin steht … oder ist es vielleicht sein Retter? Denn wie sich herausstellt, passt Akira Haruna überhaupt nicht in das Konzept eines »typischen Mädchens«. Weil er sich nicht traut, direkt danach zu fragen, sucht Kazuma nach Anhaltspunkten für Akiras Geschlecht. Doch dabei wird er immer wieder von seinen eigenen Vorurteilen sabotiert! (Buchklappentext)

Verlag: TOKYOPOP
Bände: 2 (abgeschlossen)
Genre: Romance, Comedy
Demografie: Shōjo
Altersempfehlung: 15+ Jahre
ISBN (Band 1): 978-3842082434
ISBN (Band 2): 978-3842082441
Erschienen: Februar & April 2023
Ein erster Blick mit Skepsis
Beim Stöbern im Buchladen sah ich den zweiten Band von „Männlich? Weiblich? Unbeschreiblich!“. Als ich den Klappentest las, dachte ich mir: Das kann entweder richtig gut werden oder ein totaler Griff ins Klo.
Es ist immer so eine Sache mit Geschichten, die sich mit Geschlechterrollen beschäftigen. Oft neigen sie dazu, einen belehrenden Eindruck zu hinterlassen oder in klischeehafte Darstellungen abzurutschen. Trotz dieser Bedenken hatte meine Neugier gesiegt und so holte ich mir gleich beide Bände auf einmal und ich bin immer noch sehr glücklich über diese Entscheidung.
Viel zu erzählen im kompakten Format
„Männlich? Weiblich? Unbeschreiblich!“ ist das Debüt von Yasuko auf dem deutschen Markt. In nur zwei Bänden wird eine vollständige, in sich runde Geschichte erzählt, die sowohl emotional als auch thematisch berührt. Die Handlung ist aufgrund des begrenzten Umfangs sehr pointiert, ohne dabei gehetzt zu wirken. Sie verliert sich nicht in Nebensächlichkeiten, sondern bleibt nah bei den Figuren und deren Entwicklung.
Der Fokus liegt dabei auf den Hauptfiguren Iwagami und Haruna. Es ist interessant zu verfolgen, wie sich die beiden kennenlernen, beeinflussen und letztlich bereichern. Ihre Dynamik wird von Kontrasten, aber auch von gegenseitigem Respekt und Neugier gezeichnet. Besonders gelungen ist die Balance zwischen humorvollen Missverständnissen und ehrlichen Momenten. Das Ganze wird von einem pfiffigen Spiel mit gesellschaftlichen Erwartungen begleitet.
Yasuko scheint ein gutes Verständnis dafür zu haben, dass Menschen nicht im luftleeren Raum existieren. Iwagami und Haruna stehen zwar im Mittelpunkt, aber sie sind keine isolierten Individuen. Freunde, Familie und auch ehemalige Beziehungspersonen sind aktiv in die Story involviert. Diese Nebenfiguren sind nicht nur schmückendes Beiwerk – sie bringen eigene Perspektiven und Erfahrungen ein, geben neue Impulse und fügen der Story zusätzliche Ebenen hinzu. Gerade durch diesen erweiterten sozialen Rahmen wirkt die Handlung lebendig.


Zwischen Rollenkritik und stilvoller Leichtigkeit
Offensichtlich ist das handlungsübergreifende Thema der Reihe die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und den damit verbundenen Klischees. Mit der Figur Haruna spielt Yasuko nicht nur mit der zweiten Hauptfigur Iwagami, sondern ebenso mit den Lesenden. Das beginnt beim Erscheinungsbild, geht über das Verhalten bis hin zu der Frage: Was bedeutet eigentlich, männlich oder weiblich zu sein? Dabei wird auf einen moralischen Zeigefinger verzichtet. Stattdessen wird dem Thema mit viel Humor, Charme und einem augenzwinkernden Ton begegnet. Dies sorgt dafür, dass die Story trotz ihrer gesellschaftskritischen Dimension leicht und unterhaltsam bleibt. Es entsteht nie das Gefühl, dass man überfordert oder unter Druck gesetzt wird. Vielmehr fühlt man sich eingeladen, die eigenen Erfahrungen und Wertvorstellungen zu reflektieren.
Der Stil ergänzt diese Mischung ausgezeichnet. Yasukos Zeichnungen sind fein und detailreich. Die Mimik der Figuren ist ausdrucksstark und unterstreicht die Emotionen der Szene. Zeitgleich gibt es viele humorvolle Aspekte, die durch eine liebevolle Überzeichnung der Charaktere zum Tragen kommen. Besonders Harunas wechselnde Erscheinung ist immer wieder ein Hingucker und man freut sich auf das, was als Nächstes kommt. In ruhigen Momenten gibt es dann noch große, offene Panels, die Lesenden Raum geben, innezuhalten und die Situation auf sich wirken zu lassen.
Ein Plädoyer für Vielfalt
Insgesamt betrachte ich „Männlich? Weiblich? Unbeschreiblich!“ als ein queerfeministisches Werk, das sich den Herausforderungen und Zwängen unserer Gesellschaft bewusst ist, ihnen aber mit einem gewissen anarchischen Humor und viel Optimismus begegnet. Es zeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich selbst zu definieren, und dass das Leben jenseits von starren Rollenbildern eine ganze Menge Leichtigkeit und Freiheit bereithalten kann. Es ist ermutigend, diese Perspektive zu lesen.
Auch wenn der Manga optisch wie ein klassischer Titel für ein junges weibliches Publikum wirkt, bin ich überzeugt, dass jeder an der Handlung Freude finden und einen Samen der Erkenntnis daraus ziehen kann. Die Themen sind universell, die Charaktere nahbar und die Botschaft von Bedeutung. Und seien wir ehrlich; bei nur zwei Bänden kann wirklich niemand behaupten, dass es zu viel Zeit in Anspruch nimmt.


Quellenangaben:
Bilder wurden von Norrsken selbst erstellt