DiabetesSonstiges

Ich brauche mein Insulin – welche Erfahrung habe ich mit dieser Aussage

Auch wenn es etwas seltsam klingt, so gab es Situationen, da hätte ich diese Aussage besser gelassen. Weniger, weil es mir unangenehm geworden wäre, sondern weil die Mitmenschen in den frühen 90er-Jahren nicht so aufgeklärt waren, wie sie es heute sind. Sobald es eine Spritze zu sehen gab, ging die Diskussion los. Eine Spritze war eigentlich damals immer ein Zeichen für Drogen für die Menschen. Dabei waren es weniger die älteren Mitmenschen, sondern die in den 40er-Jahren.

Heutzutage braucht man fast niemanden mehr erklären, warum man eine Spritze zücken muss. Als Diabetiker musst du das Insulin irgendwie in den Körper bekommen. In gewissen Situationen hast du auch keine andere Wahl. Wenn du z.B. im Restaurant sitzt und dir dein 5-Gänge-Menü schmecken lassen willst, bleibt nur diese eine Möglichkeit. Hier musst du als Diabetiker auch wirklich lernen, dass du nicht immer einen ruhigen Ort hast und du natürlich auch nicht warten kannst. Inzwischen gibt es verschiedene „Spritzenarten“, die das Ganze angenehmer machen.

Die gute alte Einwegspritze

Die meisten Diabetiker mit Typ 1 fingen mit diesen Nadeln die Therapie an. Sie lernten mit den Spritzen, sich das Insulin zu verabreichen. Gefühlt musste ich damals dieses Training jedes Jahr wiederholen. Inzwischen bin ich auch extrem froh, dass die Spritzen nur noch zur Notfallausrüstung zählen. Es war ein Graus, diese zu nutzen. Da sie nur für den einmaligen Gebrauch gedacht waren, musste man sie in Unmengen horten. Schlimmer war eigentlich nur, dass die Nadeln extrem stumpf waren. Hier war Augen zu und durch das Motto. Es war immer ein Erlebnis, wenn du ein Plop gehört hast und die Nadel jede einzelne Hautschicht einzeln dir vor Ohren geführt hat. Blaue Flecken waren an der Tagesordnung. Die Unmengen an Dingen, die man mitschleppen musste, waren einfach schrecklich. Kann mich z.B. nicht daran erinnern, dass ich jemals ohne einen Rucksack oder eine Umhängetasche das Haus verlassen habe. Heute bin ich auch immer mit einer Tasche unterwegs.

Im Alltag sah es dann etwa so aus. Im Jahre 1992 musste ich folgende Dinge immer bei mir haben:

  • ca. 6 Nadeln für den Tag
  • Alkoholtupfer
  • Insulinflasche
  • Traubenzucker
  • Notfallausweis
  • Diabetes Tagebuch
  • Nahrungsmitteltabelle
  • zweite kleine Tasche mit dem Blutzuckermessgerät

Das erste negative Erlebnis

Ich müsste lügen, wenn ich wüsste, wie alt ich damals war. War, glaube ich, gerade 16 geworden. Wir sind wie jeden Monat einmal in die große Nachbarstadt gefahren, um uns häuslich in einem Manga und Gaming Shop niederzulassen. Am Tag zuvor ging es mir nicht gut und mein Zucker war echt außer Rand und Band. Meine damaligen Freunde waren zum Glück alle aufgeklärt, was Diabetes angeht. Sie haben auch immer auf mich aufgepasst und wussten, was zu tun war. Am frühen Abend vor der Heimreise wollten wir noch etwas essen gehen. Unsere Heimatstadt hatte leider nicht so viel Auswahl und wir wollten uns etwas Gutes tun. Die Wahl war auch schnell getroffen. Ein kleines Restaurant, welches neu aufgemacht hatte, wurde unser Ziel. Wir sind also schnell rein und haben essen bestellt.

Restaurant war gut besucht. In der Ecke war noch ein vierer Platz frei, den wir uns direkt geschnappt haben. Kellnerin war auch schnell da und Getränke waren auch schnell serviert. Zu dieser Zeit gab es z.B. keine Zero Produkte. Light Getränke waren vorhanden, aber diese waren nie in den Lokalen zu haben. Ebenso hat es auch keinen Unterschied gemacht, was die Kohlenhydrate angeht. Da blieb man lieber bei den normalen Sorten. Für mich war das der Zeitpunkt, wo ich meinen Kram ausgepackt und sogar unter dem Tisch mein Blutzucker gemessen habe. Insulin habe ich dann aber nicht gespritzt, da er recht nieder war. Nun folgte das Essen, das auch richtig lecker war. Was danach passierte dann nicht mehr.

Nach dem Essen musste ich mein Insulin nehmen, da es sonst später zu Problemen geführt hätte. Beim spritzen hat mich ein Mann am Nachbartisch gesehen und uns direkt als widerliche Junkies beschimpft. Der Inhaber war dann auch schnell zur Stelle, den wir auch direkt informiert haben bezüglich des Diabetes. Leider konnte der Herr vom Nachbartisch genauso wie der Inhaber nichts mit den Informationen anfangen. Meine Sachen wurden in meine Tasche geworfen und ich wurde vom Stuhl hochgerissen. Der Inhaber war so außer sich, dass er uns zum Teufel verfluchte. Wurden unsanft dazu aufgefordert, das Essen zu bezahlen und uns von Dannen zu urinieren. Nach einem weiteren Versuch ihnen zu erklären, was ich getan habe, ist es eskaliert. Der nette Herr vom Nachbartisch hat mich gepackt und wollte mich zur Tür begleiten. Der Inhaber rief auch direkt die Polizei, um die Störenfriede aus seinem Lokal zu bekommen.

Ich bin mir gar nicht sicher warum, aber wir haben uns angesehen und haben uns entschlossen ruhig zu bleiben. Einer der Jungs war im Kampfsport geübt und ich war dem Mann vom Nachbartisch körperlich weit überlegen. Immerhin versuchte er vergeblich, mich von der Stelle zu ziehen. Immerhin sollte die Polizei bald erscheinen. Gab also keinen Grund, unnötig Streit anzufangen. Mein erster Gedanke war eigentlich ein ganz anderer. Ich hoffte auf eine gute schulische Bildung der Polizei.

Die Tür ging auf und zwei Polizisten schauten zu uns rüber. Der Inhaber fing direkt an zu beleidigen. Es hat dann ca. 15 Minuten gedauert, bis beide Polizisten zu uns gekommen sind. Wir haben brav in der Ecke gesessen und unseren bestellten Kaffee noch getrunken. Der Polizist war ruhig und hat uns gefragt, was den genau passiert sei. Habe ihm alles gezeigt und erklärt. Das Gesicht hat Bände gesprochen. Er drehte sich um und meinte zum Kollegen, dass der Einsatz zu Ende wäre und wir alle mal vor die Tür gehen sollten. Danach folgte eine Standpauke an den Inhaber, dass es sich gewaschen hat. Wir hatten definitiv Spaß, kann ich euch sagen. Zur Überraschung wurden wir gefragt, ob wir Anzeige erstatten wollen? Wir wollten es zwar innerlich, aber wir wussten auch, dass er seine Dummheit durch Bildung wieder loswerden könnte.

Als ob das nicht genug gewesen wäre, fing der Inhaber wieder an. Beleidigte nun die Polizisten, die ihn rasch zum Schweigen bringen konnten. So langsam wurde es uns auch zu viel und ich habe mich dazu geäußert. Die Zahlung für sein Essen habe ich abgelehnt. Polizei stimmte mir da zu und wir haben uns dann auch direkt wieder auf den Weg gemacht. Habe mir es nicht nehmen lassen, mich noch bei den Polizisten zu bedanken. Habe dann auch erfahren, dass dies nicht der erste Einsatz dieser Art war.

Insulinpen

Der nächste wichtige Schritt war dann der Insulinpen. Das war bei mir dann ca. 1997. Wie einen normalen Füller kann man diesen einfach mit einer Insulinpatrone füllen. Die Injektionsnadeln werden hier einfach aufgedreht und danach entsorgt. Hatte den Vorteil, dass man Insulin für ca. 3 Tage im Pen hatte. Hier musste man nur schauen, genügend Nadeln im Gepäck zu haben. Im Gegensatz zu den Einwegspritzen brauchte man hier um einiges weniger Platz und vor allem weniger Kleinkram, der mitgeschleppt werden musste. Hier gab es sogar eine passende Tasche, in der 2 Pens verstaut werden konnten. Wichtig zu wissen wäre hier, dass man angefangen hat auch zwei verschiedene Insuline zu nutzen. Ein Altinsulin (schnell und kurz wirkendes) und ein Depotinsulin (lang wirkendes Insulin). Hätte bedeutet noch mehr Kleinkram zu schleppen.

Und was gibt es heute bei mir?

Das ist der Teil, der mich dazu bewegt hat, das Thema Diabetes zu nehmen. Inzwischen gibt es viele Apps und smarte Geräte, die einem das Leben leichter machen. Zum einen natürlich die Glukose Sensoren. Diese messen den Blutzucker (stimmt so nicht ganz, aber das ist ein anderes Thema) jede paar Minuten und leiten es an ein Ablesegerät oder in meinem Fall an meine Insulinpumpe und Handy. So kann ich wirklich sehen, wie sich mein Blutzucker verhält und ob ich aktiv werden muss.

Damals ohne Sensoren und Pumpe musste ich mich am Tag mindestens 10-mal in den Finger stechen. Dann 4-6 mal für das Insulin. Meine Finger haben damals echt viel mitmachen müssen. Tag für Tag.

Heute ist das einfach. Die Pumpe regelt das meiste inzwischen von allein. Erhöht das Insulin oder vermindert es. Je nachdem, was der Sensor für Werte meldet. Eine Erleichterung, die ich nach Jahren Kampf mit den Krankenkassen endlich bekommen habe.

Funfact: Vor 4 Jahren habe ich diese Pumpe bekommen. Da bin ich gerade 39 Jahre alt geworden. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ausschlafen können. Ohne Pumpe musste ich immer um 5 Uhr aufstehen und meinen Zucker messen und Insulin spritzen, damit es keine Probleme gibt. Meine Isolde vom Zuckerberg macht das nun ganz allein.

Schöne neue Zeit

Zum Abschluss kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich froh bin, dass die Technik so weit gekommen ist. Was früher immer mit viel Aufwand verbunden war, ist heute nur noch ein Klacks. Da einem viel von der Technik abgenommen wird, bleibt der Kopf frei für andere Dinge. So toll das Ganze ist, so darf man auch nicht vergessen, dass die Technik nicht alles abdecken kann. Das Gerät kann nur so zuverlässig arbeiten, wie ihr es mit Informationen füttert. Sobald der Zucker nicht mehr in der Norm liegt, muss man handeln. Man vergisst auch leider sehr schnell die Basics. Wie geht das mit dem Berechnen der Kohlenhydrate? Wie stelle ich meinen Plan um, dass er zum Alltag passt? Arbeit, Sport und Freizeit benötigen immer andere Insulinmengen und und und

Hoffe, ich habe euch etwas unterhalten können? Wie immer, sagt mir in den Kommentaren eure Meinung. Freue mich über jede Rückmeldung.

Sanel

Gründer von nerdjunk.de und vollkommen planlos in die Erstellung gegangen. Liebt Manga, Anime, Games, Movies und vieles mehr, womit man seine Zeit sinnlos füllen kann. Spaß muss es machen. Die Zeit für das Hobby fehlt, aber daran sind wie immer die anderen Schuld.

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